Geschichte der Grimms

Die Germanisten Jacob Ludwig Carl Grimm und Wilhelm Carl Grimm werden in Hanau am Main geboren, Jacob am 4. Januar 1785, Wilhelm am 24. Februar 1786. Philip Wilhelm Grimm, der Vater, ist Jurist und stirbt im Jahre 1796 an einer Lungenentzündung. Dorothea Grimm, geb. Zimmer, gebar ihm noch weitere Kinder:

Die Brüder Grimm wachsen in Hanau, Steinau (Umzug 1791) und Kassel (Umzug 1798) auf. In Kassel besuchen sie das Lyceum Fridericianum. 1802 beendet Jacob seine Gymnasialausbildung und beginnt sein Studium am 30. April in der juristischen Fakultät der Marburger Universität. Wilhelm folgt ihm 1803. Durch sein Asthma hatte er nicht zur selben Zeit seine Gymnasialausbildung beenden können.

In Marburg an der Universität begegnen die Brüder dem Professor und Juristen Friedrich Carl von Savigny (21.2.1779–1861). Diese Begegnung beeinflusst sie stark in den folgenden Schaffensjahren. Savigny ist es, der sie den Weg finden läßt.

Savigny unterrichtet in Marburg 1803–1804 als außerordentlicher Professor. Ab 1810 arbeitet er in Berlin als Professor, 1812 wird er dort Rektor. 1817 wird er Staatsrat, von 1841–1848 Minister. Er ist zudem Begründer der Historischen Schule. 1803/1804 führt Savigny Wilhelm und Jacob in die heute als »Heidelberger Romantiker« bekannten Künstler- und Wissenschaftlerkreise ein. Zu ihnen zählen u. a.:

1805 wird Jacob von Savigny eingeladen, ihn nach Paris zu begleiten. Er soll bei dessen Quellenstudium für seine »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter« helfen. Aus dieser Trennungsphase der Brüder wächst der Entschluss, sich nicht erneut voneinander zu entfernen. Eine lebenslang andauernde Gemeinschaft entsteht sowohl im Arbeiten als auch im privaten Zusammenleben. Dies wird besonders deutlich anhand eines Briefes, den Jacob während dieser Zeit in Paris an seinen Bruder Wilhelm schreibt: »Lieber Wilhelm, wir wollen uns einmal nie trennen, und gesetzt, man wollte einen anderswohin tun, so müsste der andere gleich anfragen. Wir sind um die Gemeinschaft so gewohnt, dass mich schon das Vereinzeln zum Tode betrüben könnte…«

Dorothea Grimm zieht im Jahr 1805 nach Kassel, um ihren Söhnen nahe sein zu können. Wilhelm schließt im Jahr 1806 sein Jura-Studium in Marburg ab. Jacob wird Staatssekretär vom Kasseler Kriegskollegium. Am 27.Mai 1808 stirbt die Mutter Dorothea Grimm. Mit 23 Jahren ist Jacob Familienoberhaupt. Er wird zum Privatbibliothekar von König Jeraue Bonaparte, dem jüngsten Bruder Napoleons, in Kassel ernannt.

1806 schlägt Napoleon mit seinen Truppen das Kurfürstentum Kassel und setzt seinen Bruder als Verwalter ein. Dadurch hat Jacob seine Arbeit verloren, bevor er zum Privatbibliothekar ernannt werden konnte. 1809 befördert man Jacob zum Staatsanditor, er erhält einen besseren Lohn und der Familie geht es nun wirtschaftlich besser.

Es ist nun jene Zeit, in der sich die Brüder Grimm über ihr wissenschaftliches Anliegen klar werden. Dies steht jedoch im Gegensatz zu dem Künstlertum in ihrem Freundeskreis (Arnim und Brentano). Jacob schreibt: »So wenig sich fremde edele Tiere aus einem natürlichen Boden in einen andern verbreiten lassen, ohne zu leiden und zu sterben, so wenig kann die Herrlichkeit alter Poesie wieder allgemein aufleben, d. h. poetisch, allein historisch kann sie unberührt genossen werden.«

1813 kehrt der hessische Kurfürst nach Kassel zurück. Am 23. Dezember wird Jacob Grimm zum Legationssekretär berufen. Bereits am 30. Dezember ist er im diplomatischen Auftrag auf dem Weg zum Hauptquartier der Alliierten. Bis zum Sommer des darauf folgenden Jahres lebt er als Diplomat in Paris. Jacob gehört 1814/15 der kurhessischen Delegation des Wiener Kongresses an.

Wilhelm hat 1814 erneut eine Stelle als Bibliothekssekretär in Kassel erhalten. Jacob ist in dieser Zeit im Auftrag des hessischen und preußischen Außenministeriums in Paris, um die Rückführung deutscher Kulturgüter durchzuführen. 1816 wird er in Kassel zum zweiten Bibliothekar ernannt und die beiden Brüder sind wieder vereint. Die Zusammenarbeit ermöglicht die wohl ergiebigste Zeit der Brüder Grimm. 1819 erscheint Jacob Grimms erster Band »Deutsche Grammatik«.

Der Wendepunkt in der Arbeit der Brüder ereignet sich im Jahr 1819: Jacob und Wilhelm werden zu Ehrendoktoren in Marburg ernannt. Wilhelm Grimms Arbeit »Über deutsche Runen«, die 1821 entstanden ist, verfasste er parallel zu den Arbeiten mit dem Bruder Jacob. Wilhelms Thesen zu diesem Thema wurden allerdings erst im 19. Jahrhundert bestätigt.

1822 verlässt Charlotte Amalie Grimm das familiäre Haus und heiratet den hessischen Politiker Daniel Hassenpflug am 2. Juli 1822. Sie gebärt ihm sechs Kinder.

Wilhelm Grimm heiratet 1825 Henriette Dorothea Wild (Dortchen). Sie ist eine ehemalige Nachbarin und Tochter eines Apothekers. Die drei werden bis zum Tode zusammen leben. 1827 verarbeitet Jacob die früheren Unterlagen zu dem Buch »Deutsche Rechtsaltertümer« – Eine Sammlung lokaler deutscher Rechtstraditionen und –vorschriften. Der erste Band erscheint 1828. Im gleichen Jahr wird Hermann, der Sohn von Wilhelm, geboren.

»Deutsche Heldensagen«, das Hauptwerk von Wilhelm, erscheint im Jahre 1829. Er sammelt literarische Zeugnisse für die im Ursprung in einer klassenlosen Frühzeit angesetzten Heldensagen. Diese knüpfen an eine Vorarbeit, den »Altdeutschen Wäldern«, an. In ihrer Art ist diese Belegsammlung für die einstige Ausbreitung der Heldensagen eine bis heute maßgebliche Arbeit. 1830 beginnt ein neuer Lebensabschnitt der Brüder Grimm.

Sie übernehmen Bibliothekars- und Professorenstellen an der Universität Göttingen. 1830–1837 nehmen sie das Lehramt an der Universität Göttingen ein. 1832 erscheint Jacobs »Deutsche Mythologie«. Anhand reich überlieferter skandinavischer Quellen rekonstruiert er die religiösen Vorstellungen der deutschen Stämme vor dem Christentum. Diese trug er aus überlieferten Bruchstücken von Berichten, Relikten der einheimischen Religion und Sprachanalysen zusammen.

Charlotte Amalie Grimm, Kosename »Lotte«, verstirbt 1833. Es ist auch das Jahr, in dem Jacob seine Arbeit an der Universität gefährdet sieht. Er verteidigt in zwei Rezensionen die herkömmliche autonome Verfassung der deutschen Universitäten, die durch den Staat eingeschränkt werden sollten.

»Reinhard Fuchs« ist ein weiteres Werk von Jacob Grimm. Ausgangspunkt ist die Erforschung des mittelalterlichen Tierepos (1834). 1835 wird Wilhelm Grimm zum »ordentlichen« Professor ernannt.

Am 1. November 1837 setzt der Herzog Ernst August II. von Cumberland das Gesetz von König Wilhelm IV., dass dieser als liberal geltende hannoversches Staatsgrundgesetz von 1833 einführte, außer Kraft. Darauf reagieren sieben Professoren der Universität Göttingen am 18. November 1837 mit einem Protestschreiben. Zu ihnen gehören Jacob und Wilhelm Grimm, Friedrich C. Dahlmann, Wilhelm E. Albrecht, Georg H. A. Ewald, Wilhelm E. Weber und Georg G. Gervenius.

Alle sieben werden ihres Amtes enthoben, zwei von ihnen sofort des Landes verwiesen. Friedrich C. Dahlmann und Jacob Grimm müssen innerhalb von drei Tagen das Land verlassen. So geht Jacob nach Kassel zurück, wo er bei seinem Bruder Ludwig Emil Grimm Unterkunft findet. Wilhelm folgt mit seiner Familie 1838 nach Kassel.

Ludwig Emil Grimm ist bereits zu seiner Zeit ein bekannter und anerkannter Maler, Zeichner und v. a. Radierer. Bis in die heutige Zeit werden seine Werke in Ausstellungen gezeigt. Zur gleichen Zeit arbeiten Wilhelm und Jacob an ihrem »Deutschen Wörterbuch«.

Am 2. November 1841 beruft sie der neue preußische König Friedrich Wilhelm IV. als Mitglieder der Akademie der Wissenschaften mit einem Gehalt nach Berlin. Jahrelang anhaltende Bemühungen aus ihrem Freundeskreis (Bettina von Arnim, F. C. Savigny, A. von Humboldt u. v. m.) machen dies möglich. Die Brüder haben nun wieder gesicherte Verhältnisse, wobei ihnen jedoch politische Zurückhaltung auferlegt wird.

1843 gibt es starke Spannungen zu einem Teil des Freundeskreises. Es sind Berliner Studenten, jene, von denen die Brüder so viel Unterstützung erfahren haben. Sie wollen in diesem Jahr zu Ehren des Geburtstages von Wilhelm Grimm einen Fackelzug begehen, der auf die Situation der Göttinger Sieben anspielen soll.

Durch den Umstand, dass der aus politischen Gründen seiner Professur an der Breslauer Universität enthobene H. Hofmann von Fallersleben in Berlin anwesend ist, entsteht der Eindruck, die Studenten ehren Hofmann und dieser hätte den Fackelzug selbst inszeniert. Die Brüder widersprechen diesen Gerüchten nicht, dadurch werden Freundschaften, wie z. B. die zu Bettina von Arnim, stark beeinträchtigt. Sie ist es, die schwere Kritik an den Grimms übt.

Eine politische Dimension erhalten die Germanistenkongresse in den freien Reichsstätten Frankfurt am Main (1845) und Lübeck (1846), beide geleitet von Jacob Grimm. Hier ist es das erste Mal, dass Germanistik als eine Verbindung von Erforschen des deutschen Rechts, der deutschen Geschichte, Sprache und Literatur in die Öffentlichkeit tritt. Insgesamt nehmen vier Personen von den Göttinger Sieben teil. Es wird deutlich, welche Stellung diese Kongresse haben.

1848 erschüttert die Märzrevolution Deutschland. Bereits auf dem 1. Germanistenkongress in Frankfurt am Main werden Rufe nach einer deutschen Einigung laut. Einer deutschen Nationalversammlung wird allerdings erst 1848 zugestimmt. Zum Abgeordneten dieses Parlamentes wird Jacob gewählt. Er geht für einige Monate nach Frankfurt am Main, Wilhelm bleibt mit seiner Familie in Berlin.

Im Oktober 1848 legt der parteilose Jacob Grimm frustriert sein Mandat nieder. Seiner Meinung nach werden nur innere Streitigkeiten ausgetragen und Probleme zerredet. In diesem Jahr hört er auf, Vorlesungen in Berlin zu halten. Wilhelm tut es ihm 1852 gleich.

Jacob Grimms Rede »über Schule Universität Akademie« 1849 krönt die Aktivitäten der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Sie hilft, die im Zuge der bürgerlichen Revolution aufkommende Missstimmung gegen die Akademie in der Öffentlichkeit zu überwinden. Jacob stellt die Berechtigung der Akademie innerhalb des Systems wissenschaftliche Institutionen Deutschlands dar. Er negiert mittels dieser innerwissenschaftlichen Begründung die Kritik an der Akademie als eine undeutsche und unfruchtbare Einrichtung fürstlicher Staatsrepräsentation.

Am 3. Juli 1851 hält Jacob erneut eine Akademie-Rede, in der er sich wieder unbeliebt macht. Er spricht über den verstorbenen Königsberger und Berliner Philologen Karl Lachmann. Lachmann hat die modischen Grundlagen für Textkritik mittelhochdeutscher Dichtungen geschaffen. Ohne Lachmanns Andenken zu schädigen, rezensiert Jacob sachlich, dass dessen Ausgabe des Nibelungenliedes nach einem nirgends begründeten Zahlensystem eingeteilt ist. Anhänger Lachmanns, die Jacob bis dahin nahe standen, wenden sich nun von ihm ab.

1854 wird der erste Band des deutschen Wörterbuches fertig gestellt, das erste Ergebnis einer 16 Jahre währenden Arbeit. Es ist mit einer umfassenden Vorrede Jacob Grimms und mit wichtigen Anregungen zur Lexikographie, Sprachgeschichte, Orthographie und Sprachpflege versehen. Es folgten noch Band 2, 3 und 4 (bis zum Artikel »Frucht«), das Werk konnten die Brüder jedoch selbst nie zu Ende bringen. Es wurde 1961, fast hundert Jahre nach Jacobs Tod, fertiggestellt.

Wilhelm stirbt am Nachmittag des 16. Dezember 1859. Er wurde 73 Jahre alt und erliegt den Folgen eines Karfunkels (Rückgratblutgeschwür), dass sich zuletzt nach innen schlug. Jacob folgte ihm am 20. September 1863 in den Tod. In Berlin hatte er zwei Schlaganfälle. Die Grabstelle der Brüder Grimm befindet sich auf dem St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schönefeld.

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