Die Göttinger Sieben

Die Geschichte der »Göttinger Sieben« ist von mehreren Seiten zu betrachten. Der folgende Text soll nicht werten, nur einen geschichtlichen Umriss geben.

Die historischen Ereignisse

Nach dem Amtsantritt von König Ernst August von Hannover ist eine seiner ersten Amtshandlungen ein königliches Patent. Es ist das königliche Patent vom 1. November 1837, das in die Geschichte eingehen wird. Er setzt darin das von König Wilhelm IV. im Jahre 1833 verabschiedete, als liberal geltende Staatsgrundgesetz außer Kraft. Damit löst er die Ständeversammlung auf und entbindet die Staatsdiener von ihrem Verfassungseid.

Allgemein reagiert das Land zunächst träge und passiv. An der Göttinger Georgia Augusta Universität wird allerdings stark diskutiert, denn die Professoren sind als Staatsbeamte unmittelbar betroffen. Hinzu kommt, dass einer von ihnen, Friedrich Christoph Dahlmann, an der Entstehung und Entwicklung der bis dato geltenden Landesverfassung von 1833 beteiligt war. Dahlmann gilt auch als Kopf der »Göttinger Sieben«, die sich am 18. November 1837 schriftlich dazu äußern. Diese »Proteststation« trägt die Unterschrift von sechs weiteren Professoren: J. Grimm, W. Grimm, W. Albrecht, G. Ewald, W. Weber und G. Gervenius.

Dahlmann hat diesen Text formuliert und ist auch sonst die treibende Kraft der Göttinger Sieben. Für ihn sind es insbesondere politische Aspekte, für die Brüder Grimm und Ewald sittliche Beweggründe. Für Weber und Gervenius sind die Opposition zum absolutistischen hannoverschen König die entscheidenden Kriterien, für Albrecht steht die staatsrechtliche Beurteilung des Geschehens im Vordergrund.

Die von Dahlmann als »Proteststation des Gewissens« bezeichnete Schrift wird von Ernst August beantwortet. Er verweist drei Professoren des Landes: Dahlmann, Jacob Grimm und Gervenius. Die anderen vier: Wilhelm Grimm, Albrecht, Ewald und Weber werden ihres Amtes enthoben. Die Öffentlichkeit nimmt dies unter Protesten sowie Sympathie- und Solidaritätsbekundungen hin.

Die Biographien der Göttinger Sieben

Friedrich Christoph Dahlmann, Historiker und Staatsrechtler, gilt als führender Kopf der »Göttinger Sieben«. Er wurde am 13. Mai 1785 im damals schwedischen Wismar geboren. 1812 wird er als außerordentlicher Professor für Geschichte an die Universität Kiel berufen.

1815 - 1829 ist er der Sekretär der schleswig-holsteinischen Ständevertretung. Er kämpft für die Bürgerrechte und fällt dadurch in Ungnade des dänischen Königs. Somit zieht es ihn im Jahr 1829 an die Universität Göttingen, wo er sich wissenschaftlichen Ruhm erwirbt. 1830 erscheint seine »Quellenkunde der deutschen Geschichte«. Das Buch wird zum Standardwerk und in unterschiedlichen Abständen überarbeitet.

Im Januar 1831 (nach der sog. »Göttinger Revolution«) beteiligt sich Dahlmann als Deputierter der Universität an der Beratung einer Landesverfassung. Er wird zum Mitverfasser des Staatsgrundgesetzes von 1833. 1837 besteigt Ernst August II. von Hannover den Thron. Dahlmann protestiert an der Spitze der Göttinger Sieben und wird des Landes verwiesen.

Innerhalb von 3 Tagen muss er das Land verlassen. Er lebt in Jena und Leipzig im Exil. 1842 wird er nach Bonn berufen. 1848 übernimmt er die Führung der kleindeutschen Partei in der Frankfurter Nationalversammlung. 1849 zieht er sich entmutigt aus der Politik zurück, denn ein von ihm erarbeiteter Verfassungsentwurf fand keine Zustimmung. Dahlmann stirbt am 5. Dezember 1860 in Bonn.

Georg Gottfried Gervenius, Kaufmann und Historiker, wird am 20. Mai 1805 in Darmstadt geboren. Er arbeitet als Dozent in Heidelberg und nimmt 1836 die Professur an der Universität Göttingen an.

Gervenius ist es, der erstmals in seinem Werk »Geschichte der deutschen Nationalliteratur« (erschienen zwischen 1835 und 1842) Dichtung im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung darstellt. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben des Landes verwiesen. Erst ab 1844 lehrt er wieder in Heidelberg.

Er gibt 1847 die »Deutsche Zeitung«, ein Organ der gemäßigten preußischen Liberalen, heraus. Für kurze Zeit (1848) ist erö Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, zieht sich bald darauf jedoch aus der Politik zurück.

Im Jahr 1853 veröffentlicht er seine »Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrhunderts«, die eine Zukunftsversion eines föderalistischen und demokratischen Zeitalters darstellt. Hierfür wird ihm wegen Hochverrats der Prozeß gemacht. Man entzieht ihm seine Lehrerlaubnis. Dennoch arbeitet Gervenius bis zu seinem Tode, am 18. März 1871, als Privatlehrer in Heidelberg.

Wilhelm Carl und Jacob Grimm, Germanisten, geboren am 24. Februar 1786 und 4. Januar 1785 in Hanau am Main. Jacobs und Wilhelms Lebensläufe sind nahezu identisch, denn sie trennen sich nur selten.

Wilhelm, der jüngere Bruder, legt mit seiner Sammelleidenschaft den Grundstein für die »Kinder- und Hausmärchen«. Bereits als Kind zeichnet er Märchen auf. Die Texte werden gemeinsam überarbeitet. Sie geben den Märchen die schon damals altertümlich wirkende Sprache und glätten viele Passagen auch inhaltlich. Wilhelm verstirbt am 16. Dezember 1859 in Berlin.

Wilhelm Eduard Albrecht, Rechtshistoriker, geb. am 4. März 1800 in Elbing. In Königsberg studiert er ab 1818 Rechtswissenschaften, setzt dies dann in Göttingen fort, wo er 1822 promoviert. In Königsberg habilitiert er sich 1824 und wird dort 1825 ordentlicher Professor für deutsches Recht. Nach Göttingen, an die Georgia Augusta, wird er 1830 berufen.

Er schreibt 1828 eines der bedeutendsten und grundlegendsten Werke der deutschen Rechtsgeschichte: »Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sacherechts«.

Nach seiner Amtsenthebung geht Wilhelm Eduard Albrecht als einer der Göttinger Sieben zunächst nach Leipzig. Dort wird er 1840 zum ordentlichen Professor berufen und 1863 zum Geheimen Hofrat. 1848 tritt er kurzfristig in die Frankfurter Nationalversammlung ein. Albrecht verstirbt am 22. Mai 1876 in Leipzig.

Georg Heinrich August Ewald, Theologe und Orientalist, geb. am 16. November 1803 in Göttingen. Ab 1820 studiert er in Göttingen die klassische Philologie und Theologie, besonders aber die orientalischen Sprachen. 1823 promoviert er zum Dr. der Philosophie. Ab 1833 ist er Mitglied der Sozietät der Wissenschaften in Göttingen, 1835 Nominalprofessor der orientalischen Sprachen und Mitglied der Honorenfakultät.

Ewald wird, wie sechs andere Professoren, 1837 seines Amtes enthoben. Der König von Württemberg beruft ihn 1838 als Professor der Philosophie an die Universität Thübingen und versetzt ihn 1841 in die Theologische Fakultät. 1848 kehrt er nach Göttingen zurück. Er übernimmt das Lehrfach der orientalischen Sprachen und der alttestamentlichen Theologie.

1863 ist er Mitbegründer des Deutschen Protestantenvereins. Im März 1867 weigert er sich, dem König von Preußen den Huldigungseid zu leisten. Daraufhin wird er am 5. September 1867 aus der Philosophischen Fakultät ausgeschlossen. Aufgrund der Schrift »Das Lob des Königs und des Volks« wird ihm die Erlaubnis, Vorlesungen zu halten, entzogen. 1869 ist er Mitglied des Reichstags und eifriger Vorkämpfer der Welfenpartei. Ewald stirbt am 4. Mai 1875 in Göttingen.

Wilhelm Eduard Weber, Physiker, geb. am 24. Oktober in Wittenberg. 1822 studiert er Mathematik an der Hallenser Universität. Mit Ernst Heinrich Weber veröffentlicht er 1825 die »Wellenlehre«. 1826 promoviert er zum Thema »Zungenpfeifen«.

Unter dem Hallenser Physiker J. C. S. Schweiger habilitiert er 1827 zum Thema »Wellen«. 1828 begegnet er C. F. Gauß auf der 7. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin. Es entsteht 1831 eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Gauß an der Universität Göttingen, wo Weber als Professor der Physik lehrt.

1833 gelingt es Weber und Gauß, gemeinsam den ersten elektromagnetischen Telegrafen zu entwickeln. Die Messungen der Göttinger Sternwarte und im physikalischen Labor lassen sich nun koordinieren.

1837 verliert er als Mitglied der Göttinger Sieben den Lehrstuhl in Göttingen. Bis 1843 lebt er als Privatmann in Göttingen. Anschließend wird er Physikprofessor in Leipzig. 1846 entsteht das »Webersche Gesetz«, das Grundgesetz der elektrischen Wirkung.

Er kehrt 1849 als Professor der Physik nach Göttingen zurück und arbeitet mit R. und F. Kohlrausch zusammen. Nach dem Tod von Gauß übernimmt Wilhelm Eduard Weber 1855 bis 1868 die Leitung der Göttinger Sternwarte.

Im Jahre 1881 werden in Paris die Weberschen absoluten Strommaße für die allgemeine elektrotechnische Praxis von dem ersten internationalen Elektrikerkongress anerkannt. 1935 wird für die Einheit des magnetischen Flusses die Bezeichnung »Weber« (Wb) festgelegt. Weber stirbt am 23. Juni 1891 in Göttingen.